Triggerwarnung: Dieser Artikel behandelt Anti-Schwarzen Rassismus und Gewalt.
Die drei ??? sind nicht nur super beliebt, sondern haben im Vergleich zu ihrer Konkurrenz auch einen hervorragenden Ruf: TKKG und Fünf Freunde wurde in den letzten Jahren u.a. Antiziganismus, Sexismus und Rassismus vorgeworfen. Unsere drei Detektive kommen dagegen angeblich „ohne Stereotype und dafür mit einem komplexen Plot“1 und „ohne manifesten Rassismus aus[…]“ 2.
Wie aus Teil I und der Überschrift hervorgeht, ist das allerdings ein bisschen komplizierter. Neben dem Othering Schwarzer Figuren scheint die Hörspielserie insgesamt eine Obsession mit der Farbe schwarz zu haben:
„Wenn du an die drei ??? denkst und sie mit einer einzigen Farbe in Verbindung bringen müsstest, welche würdest du wählen? Richtig, Schwarz!“ 3
Außerdem gibt es die Spezialfolge „Der schwarze Tag“4 mit sechs Kurzgeschichten, die sich alle mit der Farbe beschäftigen, sowie fünf weitere Folgen5 6 7 8 9 mit ‘schwarz’ im Titel. Die Folgencover sind schwarz umrahmt und dazugehörige Wortspiele scheinen beliebt zu sein:
„[…] da kannst du warten und betteln, bis du schwarz wirst. […] Das ein oder andere schwarze Schaf werden Justus, Peter und Bob auf den nächsten Seiten entlarven. Das gebe ich dir schwarz auf weiß. Und wenn sich die Bösewichte am Ende eines Falls schwarzärgern, weil Justus mal wieder direkt ins Schwarze trifft, während alle anderen immer noch im Dunkeln tappen oder der falschen Person den Schwarzen Peter zuschieben, spätestens dann wirst du zustimmend nicken und sagen: Für die Zukunft des Verbrechens in Rocky Beach sehe ich schwarz.“10
Schwarz wird also mit Tod („warten, bis Du schwarz wirst“), dem ‚Anderen‘ (schwarzes Schaf als Außenseiter*in), dem Unbekannten („im Dunkeln tappen“) und einer pessimistischer Zukunft („schwarzsehen“) assoziiert und dadurch mit Dunklem, Unbekanntem oder Mysteriösem gleichgesetzt.
Das schwarze Unbekannte
Diese Farbmetaphorik gibt’s nicht nur bei Formulierungen, sondern wird im Hörspiel auch auf Gegenstände und Tiere übertragen. “Der schwarze Skorpion”11 und “das schwarze Monster”12 wirken schon allein durch die Konnotation ihrer Farbe unheimlich und bedrohlich. Das zeigt sich auch in der bedrohlichen Inszenierung schwarzer Objekte durch Spannungsaufbau in der Narration und Ästhetik (z.B. Musik). Klingt vielleicht erstmal egal, aber diese Farbmetaphorik ist problematisch, wenn wir Menschengruppen mit denselben Worten bezeichnen, weil sich die Konnotationen der Farbe auf sie übertragen können.
„Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“
Das zeigt sich, wenn wir uns die Schwarzen Figuren selbst ansehen. Am deutlichsten wird die Inszenierung Schwarzer Figuren als Bedrohung wohl in der Folge “Wer hat Angst vorm schwarzen Mann” (Kurzgeschichte aus „Der schwarze Tag”13). Darin geht es um Kinder, die im Kindergarten das gleichnamige Spiel spielen. Folglich haben sie „Angst vorm schwarzen Mann“ und behaupten, er habe nachts aus ihren Zimmern ihre geliebten Murmeln gestohlen. In meiner weißen Naivität habe ich bis zum Ende gehofft, dass die Geschichte noch eine clevere Wendung bekommt und es nicht wirklich um einen Schwarzen Mann geht, sondern um die Vorurteile unserer Gesellschaft und wie wir diese schon in jungen Jahren weitergeben.
Aber passt auf…
In der Folge stellt sich am Ende tatsächlich heraus, dass der Schwarze Gallerist Ericson die Murmeln geklaut hat, um mit ihnen im Zoo den wertvollen Diamanten „das Herz von Afrika“ zu stehlen. Dabei konnte er die Angst der Kinder durch das Spiel ausnutzen. Aber die rassistischen Auswirkungen des Spiels werden in der Episode nicht reflektiert. Stattdessen wirkt sie sogar auf Peter, der angsterfüllt fragt: „Ob es ihn [den Schwarzen Mann] jetzt da draußen irgendwo leibhaftig gibt? In groß, in unheimlich und, äh, in kriminell?“. Peter fängt Ericson schließlich mit einem Lasso, weil er sie mit einem Speer bedroht hat. Klar! Durch die Wahl der Waffen kommem mir dabei direkt kolonialisierte Bilder von zivilisierten Weißen, die nicht-weiße „Wilde“ bändigen in den Kopf. Euch auch? Achja und der Vollständigkeit halber: Zum Ende der Folge triumphieren die drei Helden. Natürlich.
Ok, und jetzt kommt das heftigste, die Folge ist nicht aus den 80ern, sondern von 2018. WTF?!
Auch in einer anderen Folge wird nochmal unreflektiert die rassifizierte Angst durch das Spiel aufgegriffen, als die Drei gefragt werden „Hast Du Angst vorm Schwarzen Mann? … Der Schwarze Mann, Du weißt schon. Der Typ von dem sie dir als Kind immer erzählt haben, wenn sie dir Angst machen wollten.“ (aus „Schwarze Sonne“14)
Der Schwarze Mann wird also als bedrohlicher Täter inszeniert. Besonders symbolisch verdeutlicht das folgende Szene, in der ein Schwarzer Mann sich weiß maskiert und Bob erklärt „Das kann unmöglich der Bankräuber sein. Dieser Mann ist alt und… er hat eine helle Haut“ (aus „Und die schwarze Katze“15).
Aber die meinen es doch gar nicht böse
Natürlich werden nicht alle Schwarzen Figuren als Täter*innen dargestellt. Auffallend sind deshalb auch zwei Folgen („Schwarze Sonne“16 & „Dreckiger Deal“17) in denen Schwarze Männer unschuldig inhaftiert werden und dadurch explizit mit dem Stereotyp des Schwarzen Manns als Verbrecher gespielt wird. Dabei wird immer klar gemacht, dass unsere drei Detektive natürlich nicht rassistisch sind. Die sind doch die ‚Guten‘. Deshalb erkennen sie als einzige die Unschuld der Inhaftierten und Peter bezeichnet Menschen, die „was gegen Schwarze haben“ als „dumm wie Brot“. Rassismus benennen sie trotzdem nie direkt. Das kommt auch daher, dass die drei ‘keine Hautfarbe sehen’. Diese angebliche Farbenblindheit führt jedoch dazu, dass die Drei keinen strukturellen Rassismus sehen. Stichwort color blindness.
Vom Hörspiel in den Kopf
Ok, cool finden das wahrscheinlich die meisten nicht, aber warum halte ich ein Kinderhörspiel jetzt für so relevant, dass ich mein komplettes vorletztes Jahr damit verbracht habe und zwei Artikel darüber schreiben wollte?
Medien spiegeln einerseits unsere Vorstellungen wider, produzieren sie aber auch gleichzeitig mit. Wir müssen uns bewusst darüber sein, was wir konsumieren. Denn wenn wir immer und immer wieder vermittelt bekommen, dass Schwarz gleich böse ist, glauben wir das irgendwann auch:
„Als ich vier war, fragte ich meine Mutter, wann ich weiß werden würde, weil alle guten Menschen im Fernsehen weiß waren, und alle bösen dunkelhäutig. Ich betrachtete mich als guten Menschen, deswegen dachte ich, dass ich irgendwann weiß werden würde. Meine Mutter erinnert sich immer noch an den enttäuschten Ausdruck auf meinem Gesicht, als sie mir die schlechte Nachricht mitteilte.“ 18
YouTube: Denn alle guten Menschen im Fernsehen waren ja weiß und die bösen Schwarz
Dadurch wird Rassismus verstärkt und das hat reale Konsequenzen. Das hat sich auf schlimmstmögliche Art auch in der Woche gezeigt, als ich meine Masterarbeit zu diesem Thema angemeldet habe: Am 25. Mai 2020 wurde der Schwarze US-Amerikaner George Floyd brutal von einem weißen Polizisten ermordet. Dies ist lange nicht der einzige, aber wohl der aktuell bekannteste Fall von tödlichem anti-schwarzen Rassismus. Und das Thema ist auch für Deutschland extrem relevant. Deswegen will ich als Weiße nicht von dem Geld profitieren, das ich mit den Artikeln verdient habe, sondern es an die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh und die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, die sich für Schwarzes Empowerment und Aufklärung einsetzten, weitergeben.
#Blacklivesmatter #keineinzelfall
Auch wenn zwei Artikel für ein Magazin vielleicht ungewöhnlich lang sind, habe ich lange nicht alles untergebracht, was ich gerne noch sagen würde. Wenn euch mehr Beispiele, Gedanken und die wissenschaftlichen Theorien dahinter interessieren, findet ihr hier die komplette Fassung meiner Masterarbeit.
„Das schwarze Monster“. Die drei ???. 94. EUROPA. 2000. |
„Der schwarze Skorpion“. Die drei ???. 120. EUROPA. 2005. |
„Der schwarze Tag“. Die drei ???. Spezial-Folge. EUROPA. 2018. |
„Dopingmixer“. Die drei ???. 60. EUROPA. 1994. |
„Dreckiger Deal“. Die drei ???. 72. EUROPA. 1996. |
„Geisterstadt“. Die drei ???. 64. EUROPA. 1995. |
„Schwarze Madonna“. Die drei ???. 127. EUROPA. 2009. |
„Schwarze Sonne“. Die drei ???. 151. EUROPA. 2012. |
„Und der lachende Schatten“. Die drei ???. 13. EUROPA. 1980. |
„Und die schwarze Katze“. Die drei ???. 4. EUROPA. 1979. |
- Rottmann, Jan (2017). „Ich schlafe mit Justus, Peter und Bob“. mediazine. http://mediazine-online.de/ich-schlafe-mit-justus-peter-und-bob/. (17.11.2020). ↩
- Grampes, Timo (2019). „200. Ausgabe der ‚Drei ???‘: Immer wieder Justus, Bob und Peter: Mark-Georg Dehrmann im Gespräch mit Timo Grampes“. Webseite. Deutschlandfunk Kultur. https://www.deutschlandfunkkultur.de/200-ausgabe-der-drei-immer-wieder-justus-bob-und-peter.2156.de.html?dram:article_id=454326. (15.10.2020). ↩
- Sonnleitner, Marco (2017). Die drei ???: Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?. Stuttgart: Franckh-Kosmos. S. 4. ↩
- „Der schwarze Tag“. Die drei ???. Spezial-Folge. EUROPA. 2018. ↩
- „Das schwarze Monster“. Die drei ???. 94. EUROPA. 2000. ↩
- „Der schwarze Skorpion“. Die drei ???. 120. EUROPA. 2005. ↩
- „Schwarze Madonna“. Die drei ???. 127. EUROPA. 2009. ↩
- „Schwarze Sonne“. Die drei ???. 151. EUROPA. 2012. ↩
- „Und die schwarze Katze“. Die drei ???. 4. EUROPA. 1979. ↩
- Sonnleitner, Marco (2017). Die drei ???: Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?. Stuttgart: Franckh-Kosmos. S. 4. ↩
- „Der schwarze Skorpion“. Die drei ???. 120. EUROPA. 2005. ↩
- „Das schwarze Monster“. Die drei ???. 94. EUROPA. 2000. ↩
- „Der schwarze Tag“. Die drei ???. Spezial-Folge. EUROPA. 2018. ↩
- „Schwarze Sonne“. Die drei ???. 151. EUROPA. 2012. ↩
- „Und die schwarze Katze“. Die drei ???. 4. EUROPA. 1979. ↩
- „Dreckiger Deal“. Die drei ???. 72. EUROPA. 1996. ↩
- „Schwarze Sonne“. Die drei ???. 151. EUROPA. 2012. ↩
- Eddo-Logge, Reni (2019). Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche. Stuttgart: J. G. Cotta’sche Buchhandlung. S. 96. ↩